Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 244: Identitätspolitik zwischen Selbstbestimmung und Abspaltung

Was war eigentlich mit dem Sozia­lis­mus? – Gedanken dazu von vor und nach der Wende

Der folgende Beitrag ist nach Ansicht der Redaktion eine ungewöhnliche, authentische und konkrete Auskunft zum umstrittenen Thema von Ostidentität. Die Frage, die Daniel Stosiek nach dem Sozialismus in der DDR stellt, ist für ihn offensichtlich auch eine wichtige Frage nach der eigenen, ostdeutschen Identität, wie sie in der DDR entstanden ist und in seinem Leben fortwirkt. Der Systemgegensatz zwischen der DDR und der BRD, der politisch und medial als Gegensatz zwischen dem diktatorischen Unrechtsstaat DDR und der Demokratie der Bundesrepublik mehrheitlich abgehandelt wird, tabuisiert seines Erachtens die für Menschen mit DDR-Herkunft prägende Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus in der Gegenwart. Dass Stosiek seine DDR Prägungen aus diesem Gegensatz erklärt, ist ungewöhnlich, überzeugt aber durch seine konkreten Beschreibungen. Anders als die fortwährende Abwertung ostdeutscher Identität, die mit den Erfolgen der AfD stetig zunimmt, führt sein Ansatz in der Diskussion weiter.

Wichtig für die Leser*innen ist es, die Biographie Stosieks historisch einzuordnen. Stosieks Kindheit und Jugend in der DDR endet mit dem Untergang der DDR. Nach seinem Abitur wird er noch am 1. November 1989 zur NVA eingezogen. Danach setzt er sein Leben im Westen fort.

 

Bei heutigen Diskussionen zu Ost-West-Themen, auch kritischen, wie dem spannenden Text von Dirk Oschmann (Der Osten: eine westdeutsche Erfindung), vermisse ich schmerzlich eine Auseinandersetzung mit den Fragen des Sozialismus der ostdeutschen und osteuropäischen Gesellschaften vor der Wende, sowie eine Kritik an der kapitalistischen Wirtschaft. Die DDR wird auf Diktatur und Unrechtsstaat reduziert, die westliche Welt dagegen ist eine Demokratie. Weder war in der Beschreibung die DDR sozialistisch, noch Westeuropa und die USA kapitalistisch. Diese beiden Aspekte der Wirklichkeit sind gleichsam tabu.

 

Dr. Daniel Stosiek geboren 1970, wuchs in Görlitz, in der ehemaligen DDR, auf, studierte in Münster und Bremen Theologie und Entwicklungspolitik und war seit 2000 mehrfach in Lateinamerika tätig. Dort forschte er über Fragen indigener Völker und arbeitete im Bereich der Menschenrechte.

 

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