Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 244: Identitätspolitik zwischen Selbstbestimmung und Abspaltung

Der politische Hasseffekt

Hass als negative Emotion hat weder einen eindeutigen politischen Inhalt noch eine ideologische Bedeutung. Dieses Gefühl ist häufig eine Reaktion auf eine relative Benachteiligung und kann als ein Warnsignal für liberale Demokratien dienen, da sie auf gesellschaftliche Konflikte und soziale Benachteiligungen verweist. Veith Selk und Olaf Jann argumentieren, dass die über lange Zeit vorherrschende positive Gefühlskultur und die Moralisierung von Hass – nicht zuletzt durch Identitätspolitiken – in der Öffentlichkeit jedoch dazu geführt haben, dass „Hass“ als eine Metapher für alle Arten moralischen Fehlverhaltens verwendet wurde und wird. Diese Art des Umgangs mit Hass befördert nicht den zivilen Umgang mit Konflikten, sondern steigert das Aggressionspotential im politischen Leben.i

Einleitung: Hass als ein factum brutum

Der „literarische Hass-Effekt“ (Bohrer 2019) ist als ein geschätztes Mittel zur Erzeugung von intensiver Affektivität weder aus der schönen Literatur noch aus der Unterhaltungskultur wegzudenken. In Politik und Gesellschaft hingegen erscheint Hass als ein Problem (Jensen 2017; Nussbaum 2019: 86ff.). Sein gegenwärtiges Vordringen ruft nicht nur zahlreiche „Gegen den Hass“-Kampagnen hervor, sondern führt auch zu einem Bedarf nach sozialwissenschaftlicher Reflexion über die Bedeutung von Hass und anderen negativen Emotionen in Gesellschaft und Demokratie.

 

PD Dr. Veith Selk ist Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt und Senior Fellow beim Point Alpha Research Institut in Geisa. Er arbeitet primär zu Fragen der politischen Theorie. Thematische Schwerpunkte seiner Forschung sind u.a. Demokratie und Populismus. Darüber hinaus ist er in der politischen Erwachsenenbildung sowie, gemeinsam mit Olaf Jann, im Wissenschaftstransfer tätig. Eine aktuelle Publikation ist Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie, die 2023 im Suhrkamp Verlag erschienen ist.

Dr. Olaf Jann ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen; vormals Lehrtätigkeiten an den Universtäten in Duisburg, Essen, Münster, Marburg und Basel. Arbeitsgebiete und Forschungsschwerpunkte in der Politischen Soziologie: Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung, Analyse gesellschaftlicher Transformationsprozesse, Macht-, Elite- und Demokratietheorien; Durchführung bürgerwissenschaftlicher Wissenstransferworkshops. Letzte Publikationen (mit Veith Selk): Moralische Gentrifizierung. Soziologische Zeitdiagnostik und politische Theorie negativer Emotionen. Frankfurt am Main 2023: Campus Verlag.

 

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