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„Wir weigern uns Feinde zu sein“. Ein gewalt­freier Kampf im Westjord­an­land

Mitteilungen25105/2024Seite 16-17

Der Kampf um die Landrechte im Westjordanland ist nichts Neues. Insbesondere in der von Israel besetzten C-Zone (die israelische Sicherheitszone auf palästinensischem Gebiet), sind die palästinensischen Bäuerinnen und Bauern entrechtet und müssen sich sowohl gegen die Repressionen des israelischen Staates, als auch gegen die Angriffe der Siedler wehren. Nicht erst mit Beginn des Gaza-Krieges ist die Zwei-Staaten-Lösung kaum mehr denkbar. Die Netanyahu-Regierung beschloss die illegalen jüdischen Siedlungen zu legalisieren und 10.000 weitere Wohnungen zu bauen. Es ist auch nichts Neues, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Westjordanland mit der aktuellen israelischen Regierung zugenommen haben.

Kaum bekannt ist aber, dass sich eine palästinensische Familie der Gewaltspirale widersetzt. Obwohl auf ihrem Land die Waffen israelischer Soldaten auf sie gerichtet werden, hält die Familie Nasser an ihrem Glaubenssatz „Wir weigern uns Feinde zu sein“ fest. Für ihren friedlichen Widerstand, ihr internationales Jugendprojekt Tent of Nations erhielt die Familie Nassar internationale Unterstützung und den Deutschen und Französischen Menschenrechtspreis.

Seit 1991 kämpft die Familie Nassar vor Gericht um den Erhalt ihrer 42 Hektar großen Farm, die sich inmitten von fünf illegal errichteten, jüdischen Siedlungen, befindet. Jedes Jahr rücken die Siedlungen näher. Immer wieder ist die Familie, die auf ihrem Land nicht wohnen darf, Repressionen ausgesetzt. Die Gebäude sollen nach israelischer Anordnung abgerissen werden, Strom und Wasserleitungen gibt es nicht, Zugangswege sind versperrt und 1.500 Oliven-, Aprikosen- und Mandelbäume wurden zerstört.

Obwohl die Familie eine Besitzurkunde aus dem Jahr 1916 vorweisen kann, weigert sich der israelische Staat den Landbesitz neu registrieren zu lassen, wie es das israelische Gesetz für Land im Gebiet C des Westjordanlands vorschreibt. Nach langer gerichtlicher Auseinandersetzung, die weiterhin andauert, hatte der Oberste Gerichtshof 2006 entschieden, dass die Familie ihr Land registrieren lassen darf. Seitdem verzögert die Zivilverwaltung die Registrierung. Nach zehn Anhörungen, bei denen auch ein israelischer Landexperte feststellte, dass das Land im Besitz der Familie ist, wurde der anberaumte Termin im Dezember 2023 abgesagt.

Während alle Augen auf den Gazastreifen gerichtet sind, wird die Enteignung im Westjordanland mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Übergriffe werden von internationalen Organisationen dokumentiert.

Exemplarisch für viele Betroffene bittet Daoud Nassar in seinem Appell um internationale Unterstützung.

„Am 13. März 2024 begannen Israelis plötzlich, eine Straße auf unserem Privatgrundstück zu bauen. Unser Anwalt hat gegen diesen Straßenbau Einspruch eingelegt. Unser Land darf nicht angetastet werden, solange wir das Verfahren zur Neuregistrierung durchlaufen, wie der Oberste Gerichtshof Israels entschieden hat. Am 21. März 2024 wurde mit dem Bau einer zweiten Straße begonnen, die, wenn sie fortgesetzt wird, in unser Land eindringen würde. Wie andere palästinensische Land-wirte sind auch wir mit zusätzlichen Beschränkungen beim Zugang zu unserem Land und zunehmenden Einschüchterungen und Schikanen durch israelische Soldaten und Siedler konfrontiert, wenn wir versuchen, unser Land zu bewirtschaften. Fast täglich werden wir von israelischen Soldaten an der Arbeit auf unserem Hof gehindert, und sie haben unsere Zäune beschädigt, als sie unser Grundstück betraten.

Wir bitten Ihre Regierung, sich für die Beendigung dieser gefährlichen Situation einzusetzen und für Gerechtigkeit zu sorgen, indem sie die illegale Beschlagnahmung unseres Landes verhindert und damit auch die Einhaltung des internationalen Rechts sicherstellt.

Insbesondere ist es zwingend erforderlich, dass:

  1. Unser Eigentum an all unserem Land, anerkannt wird und die Registrierung sofort abgeschlossen werden. (Nach 30 Jahren juristischen Kampfes ist es inakzeptabel, uns weiterhin einer endlosen Anzahl von Anhörungen auszusetzen, die sich regelmäßig verzögern).
  2. Der Straßenbau und alle anderen Beschädigungen und unbefugten Eingriffe in unser Privateigentum werden eingestellt.
  3. Die Behinderung unseres Zugangs zu unserem Land sowie die Einschüchterung und Belästigung – sei es durch israelische Soldaten oder Siedler – müssen aufhören.“

Aufgrund der aktuellen Situation kommen Jihan und Daoud Nassar zu einer Vortrags-reise und Gesprächen mit politischen Vertreterinnen und Vertretern vom 6. bis zum 19. Juni nach Deutschland.

Spenden für die Gerichtskosten (bisher 300.000 Euro) können auf das Konto der Evangelischen Bank IBAN: DE66 5206 0410 0003 9097 60. BIC: GENODEF1EK1. überwiesen werden.

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