Beitragsbild Ein streitfähiger und solidarischer Geist hat uns verlassen! Detlef Hensche (13.09.1938 -13.12.2023) Quelle: Mitbestimmer at German Wikipedia/Wikimedia Commons
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Ein streit­fä­higer und solida­ri­scher Geist hat uns verlassen! Detlef Hensche (13.09.1938 -13.12.2023)

Mitteilungen25105/2024Seite 14-15

Die Humanistische Union trauert um ihr Beiratsmitglied Detlef Hensche. Der ehemalige Vorsitzende der Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst starb nach langer schwerer Krankheit am 13. Dezember 2023 im Alter von 85 Jahren in Berlin.

Detlef Hensche stellte sein Engagement der Humanistischen Union zur Verfügung, vornehmlich aber der Gewerkschaftsbewegung. Er war ein Mitbegründer der großen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Mit ihm hat die Gewerkschaftsbewegung einen außergewöhnlichen Menschen und einen solidarischen Gewerkschafter verloren, der stets mit politischem Scharfsinn, Klugheit und Durchsetzungswillen die Interessen der Arbeitenden vertrat. Er stand an ihrer Seite. Wir verloren mit Detlef Hensche einen Streiter für Bürgerrechte.

In Wuppertal am 13. September 1938 geboren, studierte Hensche in Bonn zuerst Kunstgeschichte und Philosophie, wechselte dann jedoch in die Rechtswissenschaft und promovierte darin 1972.

Für seine politische Entwicklung war seine Mutter bedeutsam, die sich in den 1950er Jahren gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik engagierte, aber auch jene Bundestagesabgeordneten, die sich in den 1960er Jahren gegen die Notstandsgesetze stark machten und Hensche als Vorbild dienten, der in dieser Zeit im Bundestag sein Referendariat ablegte.

1969 nahm er eine Stelle als wissenschaftlicher Referent im Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Düsseldorf an. Er nahm dort als Jurist die mit dem Arbeits-, Staats- und Wirtschaftsrecht zusammenhängenden Aufgaben wahr. 1971 wechselte Detlef Hensche in den Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und wurde dort Leiter der Abteilung Gesellschaftspolitik.

Es war der Vorschlag des Vorsitzenden der IG Druck und Papier, Leonhard Mahlein, der zur Wahl von Hensche in den Geschäftsführenden Hauptvorstand der IG Druck und Papier führte. Hier übernahm er die Verantwortung für die politisch bedeutsame Mitgliederzeitschrift Druck+Papier und für die feder, einer in den Folgejahren relevanten Zeitschrift für die schreibende Zunft.

Es waren nicht nur die Organe der DGB-Gewerkschaften, in denen Hensche die Zeitläufte präzise analysierte, sich gegen den erstarkenden Rechtsextremismus stark machte und zugleich der Friedenspolitik den Rücken zu stärken verstand. Dabei scheute er nicht die Auseinandersetzung mit der sozialdemokratischen Hegemonie im DGB, wenn er unmissverständlich gegen den neoliberalen Umbau des Sozialstaats durch Peter Hartz und den damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler aufstand (Hensche 2002: 903-906).

In der Streikbewegung der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war Hensche Diffamierungen von Teilen der Presse ausgesetzt (Stolze 1976). Gleichwohl wurde der erfolgreiche Kampf um den Einstieg in die 35-Stunden-Woche einer seiner großen tarifpolitischen Erfolge. Folgerichtig wurde er 1983 zum stellvertretenden Vorsitzenden der IG Druck und Papier gewählt, wo er zuständig war für die Tarifpolitik. Die Gewerkschaftsmitglieder goutierten seine Arbeit so, dass er wiederum stellvertretender Gewerkschaftsvorsitzender wurde, nun im Zusammenschluss der IG Druck und Papier mit der Gewerkschaft Kunst zur neuen IG Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst, deren Vorsitzender er 1992 wurde.

Es folgten Jahre erheblicher gesellschaftlicher Umbrüche. Der Vereinigungsprozess mit der DDR und die daraus resultierenden sozioökonomischen Veränderungen bewirkten besonders für die Gewerkschaftsbewegung neue Bedingungen, nicht zuletzt in der Tarifpolitik. Zeitgleich erfolgten im Kontext von Automatisierungsprozessen und technischen Veränderungen gerade in der Druckindustrie Strukturveränderungen, die neue Anforderungen an die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter stellten. Diese Herausforderungen nahm Hensche an, indem er gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der ÖTV, der Postgewerkschaft, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung und der Deutschen Angestelltengewerkschaft, die sich bis dahin außerhalb des Daches des DGB befand, den Zusammenschluss zur Dienstleistungsgesellschaft ver.di betrieb. Dieser Mammutaufgabe stellte er sich erfolgreich. Leider folgte die Bildungsgewerkschaft GEW aus ständischem Interesse nicht diesem not-wendigen und erfolgreichen Veränderungsprozess. Dass aber die Dienstleistenden nun fast geschlossen in einer gemeinsamen Organisation für die Realisierung ihrer berechtigten Interessen eintreten können, ist nicht zuletzt das Verdienst von Detlef Hensche.

Für die Gewerkschaftsbewegung wie auch für die Humanistische Union war er angesichts seiner besonderen Fähigkeit der präzisen politischen Analyse ein wichtiger Ratgeber. Seine intellektuelle Schärfe und seine Fähigkeit zur Provokation waren nie verletzend – stattdessen halfen sie dem Denken auf die Sprünge.

Detlef Hensche war ein großes Glück für die Gewerkschaftsbewegung, weil er sprach, wo geschwiegen wurde und die Namen nannte, wo vom Schicksal die Rede war.

Verwendete Literatur:

Hensche, Detlef 2002: Schröder, Hartz und die Realität, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Jg. 47, H. 8, S. 903–906.

Stolze, Diether 1976: Klassenkampf mit Zensur, in: Die Zeit Nr. 21.

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