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Editorial

Mitteilungen25105/2024Seite 1-3

Liebe Mitglieder,

es ist nicht zu verleugnen: Die Humanistische Union befindet sich in einer schwierigen Situation. Obwohl die Bedeutung der Bürgerrechte und ihrer Verteidigung gegen Gefährdungen stetig wächst, gelingt es uns nicht im gewünschten Maß, mit unseren Botschaften in der Öffentlichkeit durchzudringen. Unsere Mitgliederzahlen gehen zurück – daraus ergibt sich ein Finanzdefizit, das langfristig den Bestand der Humanistischen Union gefährdet, wenn wir nicht deutlich gegensteuern.

Nachdem wir uns im vergangenen Jahr personell neu aufgestellt haben, haben sich Bundesvorstand und Bundesgeschäftsführung die Aufgabe gestellt, sowohl neue Aktionsformen zu entwickeln als auch inhaltlich neue Akzente zu setzen. Dies betrifft sowohl die Themen der HU als auch die Aktionsformen, mit denen wir diese Themen in die Öffentlichkeit tragen. Den Auftakt bildete eine Videokonferenz, in der gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Landesverbände die Zukunft der Humanistischen Union diskutiert wurde. Dabei haben wir im Groben unsere Überlegungen zu Aktionsformen und Inhalten vorgestellt. Eine Darstellung findet sich in dieser Ausgabe der Mitteilungen. Diese Überlegungen sollen nun weiterentwickelt und umgesetzt werden – dazu rufen wir zur Beteiligung an einem Arbeitskreis Quo vadis, HU? auf, in dem wir weitere Ideen und konkrete Maßnahmen entwickeln wollen.

Zwei Entwicklungen sind nicht zu übersehen, und als zukunftsfähige Bürgerrechtsorganisation müssen wir darauf reagieren: Spätestens seit der Corona-Pandemie haben Videokonferenzen gegen-über Präsenzveranstaltungen massiv an Bedeutung gewonnen. Dem werden wir weiterhin verstärkt Rechnung tragen – auch wenn man Präsenzveranstaltungen und den damit verbundenen sozialen Umgang vermisst, haben Videokonferenzen einige Vor-teile: Sie lassen sich auch kurzfristiger unkomplizierter organisieren, und es entfällt teilweise erheblicher Zeit- und Kostenaufwand für Reisen und die Organisation vor Ort. Dass sie von Ihnen/Euch als Mitglieder gewünscht werden, zeigt sich auch darin, dass die Möglichkeit einer Teilnahme per Video gut angenommen wird. Gleichzeitig ermöglichen wir so Menschen die Teilnahme, denen das sonst aus Zeit- oder Kostengründen nicht möglich wäre.

Zusätzlich wollen wir die HU an aktuellen Themen ausrichten, die aus unserer Sicht in Zukunft für die Bürgerrechte wesentlich sein werden. Manche bürgerrechtlichen Themen verlieren mit der Zeit an Bedeutung, andere gewinnen oder kommen erst neu hinzu. Die Humanistische Union hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass wir die Bürgerrechte in ihrer ganzen Breite bearbeitet haben. Diese Vielfalt hat einige Vorteile – für manche Mitglieder macht sie die HU besonders attraktiv. Sie birgt aber auch das Risiko der Beliebigkeit; gleichzeitig können wir personell nicht jedes wichtige Thema besetzen.

Wir wollen deswegen einen neuen Schwerpunkt für die Arbeit der Humanistischen Union in den nächsten Jahren setzen, der aus unserer Sicht eine hohe gesellschaftliche Relevanz besitzt, dessen Bedeutung eher noch zunehmen wird und der die Bürgerrechte in vielen Bereichen beeinflussen wird: die Folgen für die Bürgerrechte durch Künstliche Intelligenz. Die hohe Bedeutung dieses Themas für Gesellschaft und Politik zeigt sich schon darin, dass auf europäischer Ebene gerade die KI-Verordnung (AI Act) beschlossen wurde, in dem ein Rahmen für die Anwendung der Künstlichen Intelligenz – insbesondere in Hochrisikobereichen – gesetzt wird. Wir sehen hier Einflüssen auf ein breites Spektrum von bürgerrechtlichen Themen, vom Datenschutz über politische Beeinflussung und die Zukunft der Medien bis zur Bildung und Strafverfolgung.

Diese Schwerpunktsetzung bedeutet nicht, andere wichtige Themen aufzugeben – genannt seien Fragen von Staat und Kirche, zum Beispiel das Thema der Staatsleistungen an die Kirchen, das die HU seit Jahren mit hoher Kompetenz bearbeitet und bei dem wir auch wahrgenommen werden. Selbstverständlich ist auch weiterhin unser Engagement gegen jede Form von Diskriminierung Basis unserer Bürgerrechtsarbeit. Weitere Themen der Humanistischen Union oder der vorgänge als ihrer wichtigsten Publikation sind die Selbstbestimmung am Lebensende, die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs, Kriminalpolitik, Versammlungsfreiheit, Inklusion, Identitätspolitik, Frieden und viele mehr. Selbstverständlich bleibt es uns auch weiterhin ein Anliegen, im Geiste Fritz Bauers Antisemitismus und Nationalismus entgegenzutreten – gerade angesichts der derzeitigen Entwicklungen nach dem Terrorakt der Hamas in Israel und des Gegenangriffs mit seinen Folgen in Gaza. Diese Themen müssen wir im Auge behalten – wir müssen dabei aber stets unsere Möglichkeiten und unsere Wirkung bedenken.

Weitere Details zu unseren Überlegungen finden sich in dieser Ausgabe der Mitteilungen. Es ist auch der Auftakt zu einer verbandsinternen Diskussion, den wir in dem Arbeitskreis Quo vadis, HU? fortführen wollen. Dazu seid Ihr und Sie herzlich eingeladen – letztlich hängt der Fortbestand der Humanistischen Union, der ältesten Bürgerrechtsorganisation in Deutschland, von den Ideen und Aktivitäten ihrer Mitglieder ab.

Im Namen des Bundesvorstands und der Bundesgeschäftsführung grüße ich herzlich,

Stefan Hügel

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